1. Vorgeschichte

Als wir mit unserem ersten der bisher zwanzig „Ziegelhausen Spaziergänge“ begonnen haben, erwies sich sogleich die Aktualität unseres Anliegens. Der erste Erkundungsgang fiel genau in die Zeit, als die Rosensteige (ein alter Allmendweg) wegen Nachbarschaftsüberbauung und der Leinpfad wegen angeblicher Gefährdung der Fußgänger gesperrt wurden. Seitdem sind Teile beider Wege der öffentlichen Nutzung entzogen.

Mit unseren Aktivitäten zur Erkundung des Fußwegebestandes erhielten wir Zuspruch und Aufmerksamkeit und fühlten uns in unserem Anliegen besonders gestärkt und gestützt, als wir entdeckten, dass wir hier mehr zufällig ein Projekt fortsetzen, das vor 20 Jahren schon einmal angeschoben worden war.

Bereits 1998 gab es einen Beschluss des Gemeinderats (19.3.1998) zur Erfassung des historischen Fußwegenetzes in Ziegelhausen (Anhang 1). Vorausgegangen war eine sorgfältige Recherche durch den Fußgängerschutzverein „Fuß e.V.“, der damals mit Unterstützung des Stadteilvereins Ziegelhausen und des kommunalpolitischen Arbeitskreises der Liberalen Demokraten (LD) den Zustand des Fußwegenetzes (bestehende, versperrte, untergegangene Wege) in einer Übersichtskarte dargestellt hatte.

Die Aufgabe  war jedoch drei Jahre später unerledigt von den Ämtern (Vermessungs-, Stadtplanungs-, Tiefbau- und Straßenamt) an den Gemeinderat zurückgegeben worden, da die Ämter wegen ihrer knappen Personaldecke damit überfordert seien. Die Aufgabe der Feststellung des historischen Fußwegenetzes wurde darauf vom Gemeinderat an die Bezirksbeiräte und den Stadtteilverein übertragen.

Gemäß unseren Nachfragen bei diesen Gremien soll dieser Auftrag nicht angekommen sein. Unsere Initiative ist ganz in Übereinstimmung mit den Zielen des Stadtteilrahmenplans für Ziegelhausen (beschlossen durch den Gemeinderat am 18.10.2001). Zu unserer Freude fanden wir hier die Bestätigung für unser Anliegen:

„…eine umwelt-, stadt- und sozialverträgliche Mobilität soll auch in Ziegelhausen gefördert werden, Handlungspotentiale gibt es vor allem für den ÖPNV und das Fußwegenetz…“ (dort S.7) und “ausgehend von den vorhandenen Wegebeziehungen soll langfristig eine stärkere Vernetzung der Fußwege erfolgen. Dadurch soll die Verbesserung der fußläufigen Erreichbarkeit innerhalb der Quartiere und der Versorgungsschwerpunkte ermöglicht werden…“ (dort S.43)

Nicht zuletzt steht auch Wolfgang Walter mit seinem Einsatz für den Leinpfad im Jahr 2014 in dieser Traditionslinie (siehe Teil II unter Leinpfad). Diesen Staffelstab haben wir nun aufgenommen.

2. Die Problematik der öffentlichen Fußwege

2.1 Kartendarstellungen

Von Anbeginn ergaben sich auf unseren Erkundungsgängen  Unstimmigkeiten in den Kartendarstellungen. Bei unseren Vorbereitungen stießen wir auf Differenzen zwischen der aktuellen Karte des Landesvermessungsamtes Baden Württemberg (heute Landesamt für Geo-Information) und dem Stadtplan der Stadt Heidelberg, den Wanderkarten des Verkehrsvereins Ziegelhausen, des Odenwaldclubs e.V. sowie der Naturparks Bergstraße-Odenwald und Neckartal-Odenwald. Zwischen den verschiedenen Karten gab es Abweichungen, so finden sich in der Karte des Landesvermessungsamtes Wanderwege, die im Stadtplan fehlen und umgekehrt. Auch fanden wir im Ortsbereich eingetragene Wanderwege nicht mehr begehbar: Wegetrassen waren einfach verwahrlost und zugewachsen oder durch Zäune versperrt, und mehrfach standen wir auch vor verschlossenen Gartentoren.

Ein Wanderweg war auf dem Stadtplan sogar mit einem Phantasieverlauf eingetragen, an einer Stelle, wo sich nie ein Weg befunden hatte oder hätte befinden können (siehe Teil II.4 Zum Apfelskopf). Auf den Stadtplänen und Wanderkarten des Verkehrsvereins Ziegelhausen in den verschiedenen Auflagen kann man nachverfolgen, wie verschiedene Wege nach und nach auch einfach herausgenommen worden sind.

2.2 Grundbesitzverhältnisse

So ergab sich rasch die Notwendigkeit der Überprüfung der Grundbesitzverhältnisse, und zwar der öffentlichen Wegegrundstücke. Der Internet-Zugang zum Liegenschaftskataster ermöglichte uns wenigstens die Ermittlung von Wegeverläufen. 

Auf dem Katasterplan stießen wir auf ein überwältigend umfangreiches Wegenetz. Zu unserer eigenen Überraschung entdeckten wir hier eine Vielzahl von Wegegrundstücken, die offensichtlich früher einmal als Zugangswege zu den höher gelegenen Gärten und Feldern gedient haben und im Katasterplan noch erhalten sind. Deren Verlauf ist anhand der Wegetrassen z.T. durch die stützenden Trockenmauern oder die absäumenden Bäume noch erkennbar. Jedoch wussten wir dadurch noch nicht, ob die Wegetrasse bzw. das Wegegrundstück tatsächlich auch öffentlicher Grundbesitz ist. 

Mehr durch Zufall erfuhren wir nun auch von Fällen, wo die Stadt an Anlieger herangetreten war und ihnen angrenzende Wegegrundstücke zum Verkauf angeboten hatte, womit die Stadt glücklicherweise nicht immer Erfolg hatte. 

Nun ging es darum, die Besitzverhältnisse zu prüfen. Dabei bekamen wir alle Unterstützung seitens des Vermessungsamtes.

Das Ergebnis: Die meisten Wege, auch die „verschwundenen“, sind tatsächlich noch in städtischem Besitz – und damit Eigentum der Allgemeinheit.

3. Juristische Aspekte

Irritierend ist, wie „tolerant“ man mit den Rechtsverhältnissen im Fall dieses öffentlichen Grundbesitzes und eines allgemeinen Rechtsgutes umgeht: Wegegrundstücke werden ohne öffentliche Reaktion privat angeeignet. 

3.1 Wegerecht

Im nächsten Schritt mussten wir jedoch lernen, dass ein Wegegrundstück noch lange kein Weg ist – ganz abgesehen von der Begehbarkeit. Hier geht es um juristische Differenzierung. Seitens der Stadtverwaltung ist ein Wegegrundstück erst dann ein Weg, wenn es als solches durch Amtsakt auch als Weg gewidmet ist.

Darüber hinaus gibt es jedoch auch die „Widmung kraft unvordenklicher Verjährung“: 

Wege, die seit ehedem als Wege fungierten, in Ausnahmefällen sogar wenn sie über privaten Grund verlaufen, brauchen keinen besonderen Akt der Widmung, um als Wege Rechtsbestand zu haben . 

Auf diese 80jährige Frist verweist auch die Urteilsbegründung des Verwaltungsgerichts Karlsruhe zur Rosensteige (Anhang 4).

3.2 Verkehrssicherungspflichten

Häufig wurde unseren Bemühungen zum Erhalt der Fußwege entgegengehalten, dass die Verkehrssicherungspflicht hohen Aufwand und zu hohe Kosten seitens der öffentlichen Hand erfordere. „Verkehrssicherungspflicht ist die Pflicht, Orte, die der Allgemeinheit oder einem bestimmten Personenkreis zugänglich sind, zu deren Schutz ausreichend abzusichern“ . 

Unsere juristischen Recherchen erbrachten hier jedoch ein differenzierteres Bild. Für Wege außerhalb der Bebauung wird vom Benutzer viel mehr Eigenverantwortung verlangt, d.h. er muss bei solchen Wegen mit Unebenheiten, Stolperstellen usw. rechnen und entsprechend vorsichtig sein (Anhang 2).

Demgemäß wird von der Gemeinde oder dem Eigner weniger Aufwand bei der Instandhaltung dieser Wege verlangt als bei Bürgersteigen und bei Gehwegen innerhalb der Bebauung. Ausgenommen sind natürlich für den Fußgänger nicht ersichtliche Gefahren wie Unterspülungen oder Baufälligkeit. 

3.3 Erschließungskosten

Wir wurden auch auf das Thema der Erschließungskosten aufmerksam gemacht. Nicht nur für Straßen, sondern auch für Fußwege werden den Anliegern Erschließungskosten auferlegt. Das erklärt teilweise die kommunalpolitische Zurückhaltung bei der Neuanlage von Wegen. Hieraus ergab sich der nächste Schritt: die Prüfung der kommunalen Rechtsgrundlagen. Es stellte sich die Frage, ob solche Erschließungskosten den Anliegern nicht auch erlassen werden könnten. Nach unseren Auskünften, die wir bei verschiedenen Fach-Anwälten (im Namen des VCD) eingeholt haben, erschloss sich uns eine recht komplexe Rechtsgrundlage aus Bundes- sowie Landesgesetz und kommunaler Satzung (Anhang 3). Danach wird die Erlassung von Erschließungskosten eher restriktiv gehandhabt. Jedoch verfügen die Gemeinden über Möglichkeiten per Satzung wenigstens sog. Erneuerungsbeiträge (für Straßen- und Wegebau) zu erlassen. Zudem gibt es die Möglichkeit der Beitragsermäßigung, falls das Grundstück bereits anderweitig erschlossen ist, was ja bei vielen innerstädtischen Fußwegen der Fall ist.  

4. Bisherige Aktivitäten der Initiative

4.1 Die Ziegelhausen Spaziergänge

Okt. 2013 Rosensteige und Büchsenackerhang

Jan. 2014 Hahnberg, Moselbrunnen und Bächenbuckel

April 2014 Leinpfad – von der ehemaligen Adlerfähre bis zum Stauwehr

Juli 2014 Mühlenerkundung den Steinbach entlang

Okt. 2014 Leinpfad, Bärenbachtal und Siebenränkelweg

Jan. 2015 Ziegelhäuser Himmelsleiter – von der Neckarhelle zum Büchsenackerkamm

April 2015 Vom Plattenwegle über Bächenbuckel und Pferchelwiese zur Peterstaler Strasse

Juni 2015 Schönauer Abtweg, Brechhohl, Hahnberg

Okt. 2015 Ziegelhäuser Himmelsleiter, Rosensteige, Büchsenacker West zum Stift

Jan. 2016 Peterstal – Peterskirche zum Apfelskopf 

April 2016 Leinpfad – Beteiligung an der Aktion „Frühjahrsputz“ der Stadt

Juli 2016 Steinbach und Mühlbach: vom Wäscherinnenbrunnen bis zur Grenze zu Peterstal

Okt. 2016 Ziegelhausen: Kreuzungspunkt zweier europäischer Fernwanderwege

Jan. 2017 Es tut sich was am Büchsenacker … Wiederherstellung zweier Wege

April 2017 Mühlenspaziergang – am Steinbach entlang

Juli 2017 Auf dem Schönauer Abtweg

Okt. 2017 Ein Weg am Bach entlang – Erkundung in  Schriesheim

Jan. 2018 Rosensteige und Eselsweg

April 2018 Unterwegs mit dem Botaniker Prof. Storch

Juli 2018 Wegeerkundung in Peterstal

4.2 Öffentlichkeitsarbeit

01.03.15: Erzähl-Café – Vorstellung des Projekts im Seniorenzentrum

07.09.15: Vorstellung des Projekts in der Vorstandssitzung des Stadtteilvereins 

14.11.15: Bürgerversammlung zur Vorstellung der Ergebnisse im Bürgersaal

01.04.16: Jahreshauptversammlung Stadtteilverein: Vorstellung des Projektes

28.04.16: Gemeinderatssitzung mit dem Anliegen: „Rettet den Leinpfad“

04.06.16: Bürgerversammlung im Seniorenzentrum mit Vorstellung der Ergebnisse

01.10.16: Schlierbacher Event Adler-Überfahrt im Rahmen des Projekts „Neckarorte“

31.03.17: Jahreshauptversammlung Stadtteilverein:  Antrag zum Leinpfad (Anhang 5.4)

4.3 Recherchen

05.05. und 16.07.15:  Vermessungsamt

05.09.15:  Ortstermin Leinpfad mit Wolfgang Walter

14.02.16: Leinpfad: Vermessung und Auflistung der Schäden an der gepflasterten Uferböschung

14.02.16: Leinpfad – Bestandsaufnahme

25.05.16: Begehung des Leinpfades mit Frau Dr. Mertens von der Oberen Denkmalschutzbehörde Karlsruhe

07.07.16: Vorsprache beim Tiefbauamt zur Thematik des Leinpfads 

22.09.16: Ortstermin Leinpfad mit Tiefbauamt, Landschafts- und Forstamt, Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt sowie zwei leitenden Ingenieuren (Fachleute für Wasserbau)

06.10.16: Vermessungsamt 

25.10.16: Landschaftsamt, Zuständigkeit für Feldwege und Grünflächen

5. Handlungsschritte

Wir haben in den zurückliegenden vier Jahren nun im Grunde den ersten Teil des Auftrags ausgeführt, der sich aus dem Gemeinderatsbeschluß aus dem Jahr 2001 ableitet: die sorgfältige Bestandsaufnahme des Fußwegenetzes für unseren Stadtteil. Wir haben die städtischen Ämter über unsere Erkenntnisse und Ergebnisse informiert (Landschafts- und Forstamt, Tiefbauamt, Amt für Umwelt und Naturschutz, Amt für Verkehrssicherheit, Vermessungsamt). Zudem haben wir in der Stadtteilrundschau (Informationsblatt des Stadtteilvereins Ziegelhausen) über jeden unserer bisher zwanzig Spaziergänge berichtet und somit die Bürger sowie die politischen Funktionsträger informiert.

Jetzt ist eine andere politische Handlungsebene gefragt. Nun braucht es die städtischen Ämter zur Bearbeitung der folgenden Aufgaben:

-Feststellung des Wegestatus: Welche Wege sind unrechtmäßig von Anliegern versperrt oder vernachlässigt worden und dadurch der Öffentlichkeit entzogen?

-Welche Wege existieren zwar als Wege-Grundstücke im öffentlichen Besitz, sind jedoch nicht als Wege gewidmet? Welche dieser Wege sollten realisiert werden?

-Korrekte Darstellung des Fußwegenetzes auf dem Stadtplan in Abstimmung von Stadtplan und Kataster

-Vollständige, systematische Kennzeichnung der Fußwege mit entsprechenden Fußgänger-Straßenschildern und Sicherung der Existenz der Fußwege durch Namensgebung, wie bereits beim Hasenweg und der Rosensteige der Fall

-Fernwanderwege und Wanderwege des Odenwaldclubs sollten im Ortsgebiet möglichst nicht über die Straßen geführt werden, sondern über Fußwege, die zudem oftmals Abkürzungen bieten. 

-Hinweise auch auf die Fußwegeverbindungen an den Bushaltestellen (dort werden auf der Umgebungskarte bisher nur die Straßen der Umgebung gezeigt)

-Veröffentlichung eines Stadtteilplanes, auf dem die Fußwege besonders hervorgehoben sind.